Salem und Shalom auf Djerba ; Scharf bewachte jüdische Wallfahrt in Südtunesien. Djerba Angst vor Rache Friedliches Zusammenleben Die zerbrechlichen Wünsche
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- Salem und Shalom auf Djerba ; Scharf bewachte jüdische Wallfahrt in Südtunesien. Djerba Angst vor Rache Friedliches Zusammenleben Die zerbrechlichen Wünsche
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- Steinich, Annette Voir tous les contenus avec cette valeur
- Date
- 2016-05-30
- Résumé
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Die Angst vor dem Terror ist auch in Südtunesien spürbar. Trotz einem Grossaufgebot an Sicherheitskräften haben dieses Jahr weniger jüdische Pilger als sonst die Ghriba-Synagoge auf der Insel Djerba besucht.
Die feierliche Prozession hinter dem kleinen Wagen mit der geschmückten Menora endet nach wenigen Metern an der Polizeisperre vor der Ghriba-Synagoge. Vor der Revolution ging der bunte Zug der Pilger einen Kilometer weit in das nächste Dorf Erriadh. Heute begleitet eine Eskorte von schwerbewaffneten Soldaten und schwarz gekleideten Spezialeinheiten der Polizei einige hundert Pilger auf ihrem kurzen Weg. Über der strahlend weiss getünchten Synagogen-Anlage, der ältesten im Maghreb, kreist ein Militärhelikopter. In einer Seitenstrasse stehen gepanzerte Militärfahrzeuge. Auf dem Dach wachen Mitglieder der Antiterrorbrigade mit Maschinenpistolen im Anschlag.
Kurz vor Beginn der Feierlichkeiten hatte Israel seinen Staatsbürgern aus Sicherheitsgründen von einer Reise nach Djerba abgeraten. Nur knapp fünfzig Israeli sind in diesem Jahr zur Synagoge gepilgert, die der Legende nach 586 vor Christus auf einem Stein des zerstörten Tempels von Jerusalem erbaut wurde. René Trabelsi, Sohn des Rabbiners der Ghriba und Organisator der Wallfahrt, sagt: «Wir hatten grosse Sicherheitsbedenken wegen des letzten Überfalls von IS-Kämpfern auf Ben Guerdane.»
Anfang März waren in Gefechten mit dem tunesischen Militär in der nur 150 Kilometer entfernten Stadt an der libyschen Grenze 28 Terroristen des IS ums Leben gekommen. Man befürchtet, dass sich die kriminelle Vereinigung nun rächen könnte. «Präsident Essebsi hat uns modernstes Gerät und die volle Unterstützung der Sicherheitskräfte versprochen», erklärt Trabelsi stolz. Essebsi habe seinem Vater in einer Audienz gesagt, dass der tunesische Staat aus Solidarität mit seiner jüdischen Gemeinde nicht das geringste Risiko eingehen wolle, führt Trabelsi aus. Zweitausend Sicherheitskräfte machen aus Djerba in dieser Woche einen Hochsicherheitstrakt im Mittelmeer.
Dennoch haben sich weniger Pilger nach Djerba getraut als in den Vorjahren. Die Organisatoren sprechen von 600 ausländischen Besuchern und mehr als 1000 tunesischen Juden. Auch mehrere hundert muslimische Inselbewohner haben das religiöse Volksfest mitgefeiert. Vor der Revolution war ihnen der Zugang zum Gelände staatlicherseits verboten.
«Die jüdische Gemeinde in Tunesien ist am Ende», sagt Dov Zerah, gebürtiger Tunesier und Mitglied des französischen Rechnungshofes, der seiner Mutter vor fünfzig Jahren versprach, einmal zur Ghriba zu pilgern. Bis in die sechziger Jahre gab es mehr als 100 000 Juden in Tunesien, von denen viele nach dem Sechstagekrieg 1967 nach Israel oder Frankreich auswanderten. Heute wohnen nur noch knapp 3000 Juden in Tunesien, die meisten von ihnen auf Djerba.
Hier leben sie seit Jahrhunderten friedlich mit Muslimen und den wenigen Christen zusammen. Hara Kbira heisst das jüdische Stadtviertel der Inselhauptstadt Houmt Souk. Wer es betreten will, muss sich bei der Polizeisperre anmelden, wo ein halbes Dutzend Soldaten mit Maschinenpistolen und Schutzwesten in der prallen Sonne steht. In dem kleinen Viertel gibt es elf Synagogen und eine jüdische Schule. Auf die frisch geweisselten Häuserwände sind blaue Fische und siebenarmige Leuchter gemalt. Der Grossrabbiner von Tunis, Haim Bittan, sitzt in seinem winzigen Kurzwarenladen hinter der Theke. Einer Frau die Hand und Interviews geben will er nicht. Er murmelt nur in seinen grauen Bart: «Dieses Jahr sind wir nicht viele.»
In Hara Kbira tragen die jüdischen Frauen Zöpfe und dreieckige Kopftücher, die Männer das traditionelle tunesische Gewand mit Stickereien und die Chechia, den roten Filzhut, mit kürzerem Rand als bei der sonst gleichen Ausführung auf dem Haupt ihrer muslimischen Nachbarn. Zwei Knaben mit Kippa kommen in der Mittagshitze aus der Schule, grüssen mit «Salem» und «Shalom» und kaufen im arabischen Mini-Supermarkt klebrige Süssigkeiten. Gegenüber ist der Versammlungsraum einer religiösen Organisation, die der islamdemokratischen Nahda nahe steht.
Youssef Wazan, Vorsteher der jüdischen Gemeinde von Djerba, sagt: «Uns geht es jetzt besser als unter der Diktatur, denn wir haben die Freiheit.» Ausserdem habe die Regierung mit den Stimmen der Islamisten die Alkoholsteuer gesenkt und damit den traditionellen jüdischen Feigenschnaps Boukha billiger gemacht.
Boukha fliesst reichlich in der Ghriba-Synagoge, wenn die Pilger ihre Wünsche auf die Schale eines rohen Eies geschrieben haben, das sie in einer von zahllosen Kerzen erleuchteten Grotte niederlegen. Der Legende nach tat eine schöne, unbekannte Frau – «Ghriba», auf Arabisch «die Erstaunliche» – hier Wunder. Fast ein Wunder ist auch, dass ein ranghoher Vertreter der Nahda, Mitgründer Scheich Abdelfattah Mourou, zur Eröffnung der Wallfahrt gekommen ist. Mourou ruft der begeisterten Menge zu: «Wir sind eine Nation. Unsere Unterschiede sind unser Reichtum.» - Editeur
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- ger
Steinich, Annette, “Salem und Shalom auf Djerba ; Scharf bewachte jüdische Wallfahrt in Südtunesien. Djerba Angst vor Rache Friedliches Zusammenleben Die zerbrechlichen Wünsche”, Neue Zürcher Zeitung, 2016-05-30, bibliographie, consulté le 21 décembre 2024, https://ibadica.org/s/bibliographie/item/15788
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